Berichte
04.02.2015
Religiöse Ursachen für Spannungen im Nahen Osten
von links nach rechts: der EAV-Vorsitzende Bernd Blecker, der Referent des Abends Pfarrer Bernd Apel und Pfarrer Ulrich Matthei
Zu dieser Thematik haben der Evangelische Arbeitnehmerverein und die Katholische Arbeitnehmerbewegung Anfang Februar in den Luthersaal der Evangelischen Kirchengemeinde eingeladen. Referent war der evangelische Pfarrer Bernd Apel, Leiter der Projektgruppe Ökumene Hungen-Grünberg-Kirchberg in der Wetterau, ein ausgewiesener Kenner der Geschichte und der gegenwärtigen Probleme des Nahen Ostens. In seinem interessanten Vortrag wies er darauf hin, dass unsere westlichen Vorstellungen von Demokratie nicht mit der Mentalität der Menschen in den arabischen Ländern in Übereinstimmung zu bringen seien. Zu unterschiedlich seien in beiden Regionen – in der europäischen und in der orientalischen – die Kulturen, die politischen Praktiken und auch die Religionen. Trotzdem müssten gerade wir Europäer heute dafür sorgen, dass unser Verständnis für den Nahen Osten wachse und wir gerade im Hinblick auf die zurzeit enorme Flüchtlingswelle aus Syrien und dem Irak mehr Verständnis für diese Menschen und größere Toleranz aufbringen müssten. Schon Goethe habe in seinem 1826 verfassten west-östlichen Diwan geschrieben „Wer sich selbst und andere kennt, der wird auch erkennen, Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen.”
Pfarrer Apel betrachtete in seinem Referat den Zeitraum von 1915 bis 2015. Er stellte fest, dass nach dem Ende des Ersten Weltkrieges das Osmanische Reich zusammenbrach und die europäischen Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien im Nahen Osten durch die von Paris und London betriebene Mandatspolitik neue Staaten geschaffen haben, zu denen seit 1948 auch der jüdische Staat Israel gehört. In diesen Ländern ist die in viele religiöse Gruppen gespaltene muslimische Bevölkerung die zahlenmäßig stärkste. Die Christen – Altorientale, Orthodoxe, Katholiken und Protestanten – bilden nur eine kleine Minderheit. Der Referent betonte, dass alle Religionen im Nahen Osten untereinander Frieden stiften könnten, aber auch zur Ausübung von Gewalt fähig seien. In dieser orientalischen Staatenwelt gibt es eine Reihe von Problemen, vor allem die Frage nach dem Existenzrecht Israels und der Zukunft des sogenannten arabischen Frühlings, der bis jetzt nur in Tunesien Früchte getragen hat.
Im Vortrag kam auch eine eingehende Darstellung der im Nahen Osten lebenden monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam zur Sprache, deren Zusammenleben nicht immer frei von Konflikten ist. Sehr problematisch ist das Nebeneinander von Juden im Staat Israel und den Palästinensern, die seit Jahren einen eigenen Staat anstreben. In dieser Auseinandersetzung ist die Politik der Westeuropäer – besonders Deutschlands – und der USA immer wieder gefordert. Der Referent zeigte anhand von Kartenskizzen des Nahen Ostens, wie schwierig es ist, selbst bei gutem Willen der Politiker auf dem sehr engen geographischen Raum neben Israel einen palästinensischen Staat zu errichten.
Für die interessierten Teilnehmer an der Veranstaltung war es von besonderer Bedeutung, etwas über die Trennung der islamischen Religion in zahlreiche Gruppen wie Sunniten, Schiiten, Wahhabiten, Aleviten und die radikalen Anhänger eines Islamischen Staates (IS) sowie die Salafisten zu erfahren.
Dr. Wilhelm Platz